Härtefallscheidung ohne Ablauf des Trennungsjahres: Welche Gründe müssen vorliegen und welche sind nicht ausreichen?
Entscheidend für die Frage, ob ein Härtefall vorliegt, ist nicht das subjektive Empfinden des scheidungswilligen Ehegatten. Die Tatsache, dass sich ein Ehepartner möglicherweise recht lieblos verhält oder auch einen sexuellen Fehltritt begangen hat, ist für den anderen Ehegatten tief verletzend. Aber dies berührt dessen persönliche Gefühle und ist nicht zwingend eine unzumutbare, in der Person des anderen Ehepartners begründete Härte.
Maßstab ist vielmehr, ob eine besonnene dritte Person bei einer ruhigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das Verhalten des anderen Ehegatten ebenfalls als eine unzumutbare Belastung empfinden würde, die – umgangssprachlich – eine „Härtefallregelung“ und eine sofortige Trennung rechtfertigt.
Die Familiengerichte sind bei Härtescheidungen sehr zurückhaltend. Die Härtegründe müssen besonders gravierend und eben gerade in der Person des anderen Ehegatten liegen. Beispiele hier zu sind:
- Alkoholmissbrauch unter Verweigern oder mehrfaches Scheitern von Entziehungskuren
- Beleidigungen und Beschimpfungen des Ehepartners und fortlaufend in Gegenwart der Kinder
- Beleidigungen, Bedrohungen und Misshandlungen von schwerster Art und speziell im Beisein der Kinder
- Drogenmissbrauch über mehrere Jahre und in Gegenwart der Kinder
- Ehebrecherische Beziehung mit sich daraus ergebender Schwangerschaft
- Eheschließung zur Erhaltung eines Aufenthalttitels
- Nervenkrankheit, die vor der Eheschließung nicht bekannt war
- Morddrohungen gegenüber dem Ehegatten
- Prostitution, die nach der Trennung ausgeübt wird
- Selbstmordversuch, für den der Ehepartner nicht mitursächlich war
- Sexuelle Perversionen, wozu der andere Ehegatte auffordert (etwa Gruppensex)
- Straftaten gegenüber dem Ehepartner
- Vergewaltigung des Ehegatten, nachdem dieser den Kontakt abgebrochen bzw. sich getrennt hat und auch nicht mehr zum Ehepartner zurückkehrt
Keine Gründe für die Härtefallscheidung bilden dagegen z.B eine nachlässige Haushaltsführung, unbegründete Eifersuchtsszenen und ein einmaliger, im Affekt begangener körperlicher Angriff auf den Ehegatten. Schwieriger ist es beim Ehebruch. Eine Scheidung wegen unzumutbarer Härte kommt aufgrund des Wandels in den gesellschaftlichen Vorstellungen nur beim Vorliegen weiterer, erheblicher Gründe in Betracht. Dies gilt ebenso bei Pflichtverletzungen beim Unterhalt oder der Aufnahme einer gleichgeschlechtlichen Beziehung.